Leider gibt es diesen Turm heute nicht mehr. Er wurde im 2. Weltkrieg zerstört. Hier aber ein Bericht darüber, wie er entstanden ist und wie er ausgesehen hat.
Auf dem 120m hohen Pimpinellenberge beim Oderberger See erhebt sich der ca. 25 m hohe, aus Holz erbaute Kaiser-Friedrich-Turm. Er ist im Jahre 1896 gebaut, als ein Wahrzeichen der Landschaft, die Turnerschaft und Touristen nannten ihn scherzweise den "langen Heinrich", weil der verstorbene Lehrer em. Heinrich Lange aus Oderberg sozusagen der Vater des Gedankens war, hier einen Aussichtsturm zu erbauen. Ich statte hiermit meinem alten Lehrer und Freunde Lange eine Dankesschuld ab, die auch allen denen gilt, die sich um die Herstellung des Turmes verdient machten.
Wie aus dem Voranstehenden zu ersehen ist, war die Sehnsucht Oderbergs nach besserem Verkehr mit der Außenwelt sehr erklärlich. Man wollte als Mittel zum Zweck den Ausflugsverkehr befruchten und zu heben suchen, die verfügbaren Mittel dafür waren nur bescheiden. Zunächst versuchte sich an diesem Probleme der im Jahre 1893 reorganisierte Verschönerungsverein von Oderberg, der in seinem Mitgliederbestande fast alle Bevölkerungsschichten umfaßte. Um das Interesse und den Verkehr zu heben, erschien ihm das zunächst geeignetste Mittel, schöne bequeme Aussichtspunkte rings um Oderberg zu schaffen. Man sammelte Geld und erschloß in diesem Sinne die Landschaft und warb gleichzeitig mit der Idee neue Freunde und Gönner.
So konnte bereits im Jahre 1894 unter anderem die große Aufgangtreppe von 350 Stufen und vielen Ruhepunkten vom Restaurant "Deutscher Kaiser" bis zur Kuppe des Pimpinellenberges angelegt werden, die sogenannte "Himmelsleiter von Oderberg". Als Abschluß dieser Treppenanlage auf dem Berggipfel selber war ein bescheidener Holztempel geplant. Diesen Arbeiten lag tatsächlich große Werbekraft bei, und das Interesse weiter Kreise wuchs mit den breiten Geldmitteln hierfür. Nun tauchte der Gedanke auf, anstelle des geplanten bescheidenen Holzpavillions auf dem Pimpinellenberge ein Aussichtsturm zu bauen, der dem Andenken des Kaiser Friedrich III. gewidmet werden sollte, weil die Pimpinellenberge oder die Wurzelberge überhaupt uralte Beziehungen zur Barbarossasage hatten. Das Sonnenlicht und seine Lieblinge müssen sich demnach zeitweilig vor den feindlichen Nachstellungen des Winters und Todes im Innern dieser Berge verbergen, bis ihre Zeit der Auferstehung gekommen ist. Für diesen Turmbau bildete sich ein Komitee, dem der Bürgermeister Herr Sieg, der Stadtverordnetenvorsteher Her Forckel,. Verschiedene Ratsherren und Stadtverordnete, angesehene Bürger der Stadt, darunter Lehrer Heinrich Lange, der Vorsitzende des Verschönerungsvereins, als Schriftführer angehörten. Im Jahre 1894 geschahen bereits unter Befürwortung des königlichen Forstmeisters Herrn Boden die ersten Eingaben des Turmkomitees an die Kgl. Regierung wegen Belassung eines Bauplatzes für den Turm im forstfiskalischen Gelände und wegen einer Bauholzbeihülfe.
Im November 1895 interessierte sich für diese Bemühungen und hörte von Geldsammlungen der Schneidemühlenbesitzer Herr C. Müller in Bralitz bei Oderberg, und impulsiv bietet er brieflich seine Mitwirkung an, als uneigennütziger Förderer, die Idee mit größeren Geldmitteln zu unterstützen. Alles war von dieser Hülfsbereitschaft hoch erfreut, es war unterlassen worden, Herrn Müller formell in das Komitee eintreten zu lassen. Lehrer Lange besorgte nun, da die Geldsorge behoben war, mit doppeltem Eifer alle eingaben an Behörden und Herr Müller wünschte die Bauausführung schnellstens durchzuführen. Alles war im besten Fahrwasser, auch die eingaben an die Behörden hatten wunschgemäßen Erfolg. Die Forstverwaltung z.B. bewilligte den Bauplatz, legte neue Wege und Zufahrtsstraßen zum Turme, sogar die Mutung von Feldsteinen in der Kgl. Forst wird dem Komitee freigegeben, um billige Bausteine für den Turm zu bekommen. Der Herr Oberpräsident genehmigt, nach Befürwortung des guten Zwecks durch die Oderberger Stadtverwaltung, eine Hauskollekte im Stadtbezirk Oderberg zum Besten des Turmbaus. Der Turm sollte für 7000 M als eine ruinenhaft gehaltene Wartburg aus Findlingsgestein erbaut werden, das Baumaterial bot die nächste Umgebung dar. Aber das kam, wie es kommen mußte. Herrn Müller genügte dieses projektierte bescheidene Bauwerk nicht, seinen Wünschen und Einflüssen entsprechend, sollte es ein hochragender Aussichtsturm in massiger Holzarchitektur werden und Kostenpreis 17000 M! Die Höhe der Bauaufwendung, dabei die erheblich größeren Erhaltungs- und Sicherungskosten des Holzbauwerkes ließen bei verschiedenen der Herren des Komitees Bedenken aufkommen, und sie wurden laue Vertreter, als über die späteren Eigentumsverhältnisse nichts vereinbart wurde. Die von dem Kreisausschuß und der Stadtverwaltung Oderberg erbetenen Baubeihülfen wurden nicht gewährt, ebenso ließen die Erträge aus Kollekten und Sammlungen in Oderberg selbst sehr nach, sie erbrachten bei dem weichenden Interesse knappe 3000 M. Wenn nun trotzdem der im Mai 1896 begonnene Bau des Turmes rüstig fortschritt, so war das der nie versagenden Opferwilligkeit des Herrn C. Müller und dem Feuereifer des Lehrers Lange zu danken, die das gewiß schwierige Werk zu Ende führten. Die Bauarbeiten führte als Fachmann Herr C. Müller selbst aus, und ohne jeden Anfall war das Werk im Oktober 1896, am Geburtstage des Hochseligen Kaisers Friedrich, in Gegenwart der Stadtvertretung, der verschiedenen Vereine, unter lebhafter Beteiligung der Bevölkerung vor sich. Die Festrede hielt Lehrer Lange. Eine Ehrentafel im Innern des Turmes gibt die Bausumme bekannt, daneben die Namen der Spender, die mehr als 10M zum Baufond beitrugen, ebenso auch in Summa die Kollektensammlungen.
Man muß die 142m über dem Wasserspiegel liegende Turmgalerie erstiegen haben, um sich ein Bild von dem herrlichen weitumfassenden Rundblick machen zu können, die unsern entzückten Blick in die Landschaften des Barnims, der Neumark, der Uckermark und teils bis Pommern schickt. Im Norden erblickt man Angermünde, Schwedt, Greiffenhagen, Garz a.O., Fiddichow, im Osten Zehden und Zellin, im Süden Wriezen, Seelow, Freienwalde, teilweise durch Wald verdeckt. Im Südwesten Falkenberg, Köthen, Hohenfinow und Biesenthal, im Westen im tiefen Tal Eberswalde mit dem Kaiser-Wilhelm-Turme.
Der Kaiser-Friedrich-Turm von Oderberg, so weit in die Lande schauend, hat dem Fremdenzuzug von Oderberg unbestritten stark gefördert, und das ist das Verdienst, das sich Herr C. Müller und alle anderen Herren Spender um Oderberg sicherten. Es soll auch derer nicht vergessen sein, die selbstlos in Kleinarbeit für die bessere Erschließung das ihre taten, den Oderberger Verkehrsverein, der von 1898-1908 eine großartige und praktische Propaganda für den örtlichen Fremdenverkehr entfaltete und in Einnahme und Ausgabe jährlich mit 3000 - 4000 M bilanzierte. In dem Mittelpunkte dieser Arbeiten stand der Aussichtsturm. Wohl ist der Turm dem Verkehr gewidmet worden; aber als Privateigentum des Herrn C. Müller betrachtet, wird er, abgesehen von den Opfern dieses Herrn, doch nicht das wunschgemäße Interesse weiter Kreise finden - und das sehe ich für einen Nachteil an. Möchte sich Oderbergs Fremdenverkehr auch fernerhin weiter entwickeln; der Bann ist gebrochen, die Bahn liegt frei für jede Entfaltung. Glück zu!! Karl Wilke
aus: Angermünder Kreiskalender 1912, S.85-87