Aus Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte Bd. 16, Gießen, städtisches und territoriales Wirtschaftsleben im Odergebiet.
Die älteste Niederlage im Odergebiet ist diejenige, von Oderberg. Über ihre Entstehung verlautet nichts; sie dürfte in die früheste Zeit des ständigen Verkehrs zurückreichen. Die erste Erwähnung erfolgt, wie wir sehen, 1313. Es heißt in einer Bestätigung des Rechts durch Waldemar: Er würde aus besonderer Gunst die alten Freiheiten der Stadt in liberaler Weise erhalten. Die Frankfurter Bürger sind frei. Es besteht also in Oderberg eine alte Gewohnheit, die nun schon zum ersessenen Recht geworden ist, und durch diese Urkunde wohl auch zum ersten auch staatlich als solche anerkannt wird, daß Schiffswaren, die den Strom hinaufkommen, Niederlage halten müssen, nur nicht die Frankfurter. Wir lernen die drei Stufen in der Entwicklung der Oderberger Niederlage kennen. Erst ist es die Gewohnheit, dann ersessenes Recht, dann Statuarrecht. Nicht alle Schiffe halten sie. Es gibt Ausnahmen, zugunsten gewisser Kaufleute schon 1313. Es ist ferner von Wert, zu sehen, daß gerade der stromaufwärtsgehende Verkehr belastet wird, der übrige bleibt frei. Nun besteht jener Verkehr in weitaus überwiegendem Maße aus Fischen und besonders Hering. Daraus dürfte sich ergeben, daß die Gewohnheit der Niederlage in Oderberg dadurch entstanden ist, daß der Umschlag des von Stettin kommenden Herings, der für Berlin und andere Orte der Mittelmark bestimmt war, aus den Schiffen auf das Land stattgefunden hatte, und zwar unter Vermittlung der Arbeitskräfte von Oderberg, die das Aus- und Umladen besorgten. Die Finow war damals bis Niederfinow schiffbar, aber da es keine die Zollstelle sichernde Burg besaß, wurden die Zoll- und Stapelrechte in Oderberg wahrgenommen.
Die zur Niederlage benötigten Schiffe waren fast nur ausländische, also pommersche gewesen. Das war vielleicht auch ein Grund der Pommern und der Mecklenburger zur Erlangung des Passes Oderberg. Worin die Niederlage besteht, ist im einzelnen nicht angegeben. Daß sie für die Bringer der Waren eine absolute Endstation bedeutet hätte, geht aus den Privilegien nicht hervor. Es wird aber durch eine Urkunde aus de Jahre 1317 erläutert. Die Angaben von dieser werden durch andere Urkundensammlungen ergänzt. Bei C.D.B. von Riedel finden wir, daß die Berliner nur die üblichen Abgaben zu entrichten hatten. Nun war ja Oderberg der Vorhafen von Berlin und Immediatstadt. Aus anderen Urkunden geht auch hervor, daß die einzelnen Orte und Kaufmannschaften bezüglich des Niederlagsrechts verschieden behandelt wurden. Fest steht, daß der Umschlagbetrieb rechtmäßig von Oderbergern durchgeführt wurde; sowohl die Verladearbeiten, als auch die Verfrachtung mit Fuhrwerken. Auf die Preisgestaltung hatte die Stadt wohl kaum Einfluß ausgeübt, weil sie zu klein war, um selbst die verbrieften Niederlagsrechte immer durchzusetzen. Das Berlinische Stadtbuch sagt uns einiges über die bevorzugte Behandlung Berliner Kaufleute in Oderberg. Es heißt da, daß ein Berliner Bürger, der seine Ware in Oderberg umschlägt, dem Stedeken von Heringen je Last vier Finkenaugen zu zahlen hatte. Das war der allgemeine Zollsatz. Wenn er die Waren mit eigenem Fuhrwerk weiter brachte, hatte er nichts zu zahlen. Wollte er dagegen seine Waren mit Oderberger Pferden abfahren, so hatte er den Zollsatz von vier Pfennigen je Pferd im Normalfall, in Fastenzeiten aber 8 Pfennige zu entrichten. Wichtig ist die Bestimmung, daß er je Last 16 Pfennige zu zahlen hatte, wenn keine Niederlage stattfand. Hieraus geht hervor, daß die Niederlage nur für ein Teil der Kaufleute Pflicht war, in solchem Fall aber keine Kosten erhoben wurden, um die Oderberger in günstigerem Genuß von Kaufmöglichkeiten zu setzen. In einer Urkunde von 1415 bestätigte der Kurfürst Friedrich den Oderbergern, daß sie allein zwischen den Handelsstätten Frankfurt/O. und Stettin das Recht der Niederlage haben sollten. das galt auch für alle Waren zu Wasser und zu Lande. Jetzt galt das Recht auch für die Stromabwärts fahrenden Schiffe. Die angeführte Urkunde von 1415 scheint im Widerspruch zu der Tatsache zu stehen, daß auch in Niederfinow Niederlage gehalten wurde. In dieser Urkunde von 1317 heißt es, daß der Markgraf Waldemar der Stadt Eberswalde die Vorteile der Niederlage zu Niederfinow übereignet. Die in Niederfinow anlegenden und ausladenden Kaufleute sollten in Eberswalde ihre Waren auslegen und dorthin Abgaben zahlen. Nach Nießen (Wirtschaftsleben im Odergebiet) lag diese eine Maßnahme weniger im Interesse von Eberswalde, als von Oderberg. Es sollte erreicht werden, daß die Kaufleute die Niederlage zu Oderberg nicht mehr umgehen sollten. Da aber der Schiffsverkehr nach Niederfinow nur gering war, dürfte der Nutzen für Eberswalde nicht von Bedeutung gewesen sein.
Die Zölle waren von jeher mit die größten Einnahmequellen, weshalb auch alle Orte mit Stapel- und Niederlagsstation zugleich Zollstation waren. Wenn freie Reichs- oder Handelsstädte wie z.B. Frankfurt/O. das Verfügungsrecht besaßen, so mußten diese Einnahmen das Wirtschaftsleben stark beleben. Wenngleich die Zölle ursprüngliche herrschaftliche Rechte waren, so können im Laufe der Zeit Städte Vergünstigungen erhalten. Oderberg scheint dabei recht schlecht weggekommen zu sein. Es sieht leicht nach Fürsorge aus, wenn die Landesherren immer wieder nachdrücklich die Erhebung des Oderzolls als Durchgangszoll in Oderberg forderten. Die mehrfachen Verpfändungen der Oderberger Zölle oder Teile derselben, wie z.B. die Hebung des Fischzolls auf einem Jahr, lassen erkennen, daß der Landesherr empfangsberechtigt war. In einer Verfügung von 1415 finden wir, daß sich der Kurfürst erst nach langen Verhandlungen bereiterklärte, den sonst so gern bevorzugten Frankfurtern lediglich ein drittel des üblichen Zolls beim Durchfahren der Oderberger Brücke zu erlassen. (Diese Urkunde ist auch deshalb interessant, weil hier noch eine Brücke als bestehend erwähnt wird, von der Jahrhunderte hindurch nichts mehr zu hören ist). Auch die Tatsache, daß die Zölle nicht unbedingt Städtegebunden waren, ist ein Zeichen dafür, daß sie im wesentlichen landesherrliche Rechte waren. Die Zölle waren recht unterschiedlicher Art; es gab Durchgangs-, Markt-, Deichsel-, Weg-, Damm- und Brückenzölle, von denen die letzten drei im Interesse der Wegeverbesserung im Bedarfsfalle an die Städte vergeben wurden, wie im 1399 an Eberswalde. Die Oderberger Zölle wurden häufig verpfändet. Hierfür eine kleine Auswahl: 1371 verpfändet Markgraf Otto Schloß und Stadt Oderberg an die von Bismarck. 1393 wurden aus der Stadt Berlin und Cölln auf den Zoll zu Oderberg 220 Schock Groschen bezahlt. 1407 verpfändet Markgraf Jobst Schloß und Zoll zu Oderberg an Hynkeberger von Hohnstein für 6000 Schock Groschen, bis die Schuld durch den Zolleinnehmer gedeckt ist. Die Reihe läßt sich beliebig fortführen. Auch für den Bau des Bärenkastens wurde der Zoll verpfändet. Daß der Zoll erheblich war, geht aus der Vielzahl der Waren hervor, die Oderberg passierten. In Klödens Handelsgeschichte des Oderbruchs werden aufgeführt: Stockfisch, Leber, Öl, Feigen, Mandeln, Pfeffer, Ingwer, Tuche, Barchent aus Irland, Wein, Weinaische, Kupfer, Honig, Pech, Teer, Wachs, Wageneisen, Eisen, Zinn, Blei, Talk, Wolle, Hanf, Leinwand, Salz, Kühe, Ochsen, Pferde, Schafe, Ziegen, Schweine, Hausgerät, Tröge, Roggen, Weizen, Hafer, Gerste, Erbsen, Mühlsteine, Schleifsteine, Werkzeuge, Baumaterialien, Obst, Butter, Eier, Apothekerwaren, Heringe. Die Liste der Waren gibt Auskunft über den vor allem in der Blütezeit der Hanse stattgefundenen Handel, der sich natürlich auch auf die Wirtschaft Oderbergs ausgewirkt hatte. Für einen erheblichen Teil der Oderberger Bürger war das Fuhrwesen eine gute Einnahmequelle. Aber auch fremde Fuhrleute ließen Geld hier. Das Gaststättenwesen, Wagenbauereien, das Reparaturwesen sicherten ein gutes Einkommen. Es ist daher verständlich, daß selbst bis in das 18. Jh. hinein, als die alten Rechte schon längst aufgegeben waren, die Stadtväter verbissen um die Umladung des schwedischen Eisens in Oderberg und um die Erhaltung der Zollstelle kämpften. Um die Zölle gab es fast ununterbrochen zwischen diesen und jenen Städten Streit. So hatte ein markgräflicher Entscheid von 1378, wonach Eberswalde ausdrücklich vom Oderberger Zoll befreit war, einen Streit ausgelöst, der erst 1444 beendet war, als Oderberg seine Waren in Eberswalde passieren konnte ohne das Übliche zu erlegen. Aber erst 1552 war der Friede zwischen beiden Städten endgültig, als Johann Georg beiden Städten ihre Freiheiten bestätigt hatte. Eigenartig war, daß Angermünde seine Waren nur in Oderberg auf die Schiffe bringen durfte. Es war für Oderberg überhaupt nicht leicht, sich den nötigen Anteil an Zollerhebungen zu sichern. Als 1320 die Stadt zu Pommern gekommen war, wurde die Zollstelle noch nach Schwedt verlegt. Aber nach dieser kurzen Episode hatte der Markgraf dem Oderberger Zöllner im Jahre 1355 wegen ungerechter Zollerhebung gegen Eberswalde erteilt. Aus den Zollplätzen wurde manchesmal herausgeholt, was nur möglich war. Aus dem Betreiben, selbst nicht zu kurz zu kommen, wurden gern rechte und Freiheiten anderer Zollplätze nicht beachtet. So hatten 1599 die Oderberger Zöllner wiederholt den Eberswalder Kaufleuten den Wagenzoll abgenommen. Der Kurfürst Joachim Friedrich hat in dieser Angelegenheit den Zöllner Grumann energisch zur Ordnung rufen müssen. Die zähen und oft kleinlichen Streitfälle, die hauptsächlich in das 15. und 16. Jh. fielen, zeigen, daß Oderbergs Wirtschaftsleben eng an die Hanse gebunden war und mit deren Abstieg auch ein Nachlassen des Oderberger Transitverkehrs nach sich zog. Hatte schon die Verlegung der Haupthandelsstraße über Eberswalde und Chorin zugunsten des Klosters im Laufe der Zeit Einbußen nach sich gezogen, so hatten die um 1500 schnell nachlassenden Fänge des königlichen Fischs, des Herings, auch den Oderberger Durchgangshandel stark beeinträchtigen müssen. Bei den Betrachtungen über Handel und Zoll darf nicht vergessen werden, daß im Mittelalter die Handelswege höchst unsicher waren und die Kaufmannszüge geschützt werden mußten.